Kennt ihr das Gefühl, wenn ihr euch ein wenig anders fühlt, weil ihr einfach... freundlich seid? Ja, ich bin das Phänomen, das morgens beim Bäcker tatsächlich "Guten Morgen!" sagt und sogar lächelt, bevor ich die Brötchen bestelle. Manchmal glaube ich, ich habe eine uralte, längst vergessene Superkraft: Freundlichkeit. Und offenbar sind die meisten Menschen um mich herum kryptonitresistent.
Es beginnt schon früh am Tag. Ich stehe an der Ampel und sehe Menschen wie Geister durch die Gegend wandern, in ihre Smartphones vertieft, die Stirn in tiefen Falten. Aber ich? Ich warte nicht nur brav auf das grüne Männchen, ich werfe dem Rentner neben mir sogar ein freundliches Nicken zu. Was bekomme ich dafür? Einen irritierten Blick. Fast so, als hätte ich gerade den größten Fauxpas der urbanen Etikette begangen.
Freundlichkeit in der freien Wildbahn? Absolutes No-Go.
Im Büro wird es nicht besser. Ich grüße Kollegen, höre mir interessiert an, wie ihr Wochenende war, und halte ihnen die Tür auf. Und was passiert? Die meisten starren mich an, als hätte ich ihnen gerade angeboten, ihre Steuererklärung zu machen – mit einem Lächeln, wohlgemerkt.
Ich frage mich dann oft: Liegt das Problem bei mir? Habe ich vielleicht ein Lächeln, das wirkt wie eine Drohung? Oder wurde ich einfach in die falsche Zeit geboren? Vielleicht hätte ich als höflicher Kutscher im viktorianischen Zeitalter besser gepasst.
Dann der Klassiker: Öffentliche Verkehrsmittel. Ich steige ein, lächle den Fahrer an und wünsche ihm einen schönen Tag. Ich bin mir fast sicher, dass er sich danach gefragt hat, ob ich von einem geheimen Freundlichkeits-Kult komme, der seine Jünger in die Welt schickt, um Fremde mit Höflichkeit zu überfallen. Die anderen Fahrgäste? Kopfhörer tief in den Ohren, jeglichen Augenkontakt vermeidend.
Ein "Danke" oder ein Lächeln für meinen Gruß? Fehlanzeige. Aber klar, warum auch freundlich sein, wenn man so schön anonym in seiner grauen Blase bleiben kann?
Ich habe manchmal das Gefühl, ich sollte mir das mit der Freundlichkeit abgewöhnen. Es wirkt fast, als würde ich den sozialen Kodex brechen, indem ich Menschen grüße, ihnen ein Lächeln schenke oder – Gott bewahre – sogar bitte und danke sage. Manchmal bin ich versucht, es einfach den anderen gleichzutun: stirnrunzelnd durch die Gegend schlurfen, in Gesprächen nur grunzen und mich beim Bäcker wortlos an die Auslage heranschleichen.
Aber dann erinnere ich mich, dass ich ja eigentlich nicht anders sein möchte.
Vielleicht ist es ja wirklich so: Freundlichkeit ist heutzutage so rar, dass sie fast als seltsame Sonderbarkeit wahrgenommen wird. Aber hey, wenn das meine Superkraft ist, dann bleibe ich dabei. Wer weiß, vielleicht zaubere ich mit meinem nächsten "Guten Tag" doch noch jemanden ein Lächeln aufs Gesicht. Auch wenn es nur ein verwirrtes ist.
Jede Änderung in der Welt beginnt mit Dir. Nutze Deine Superkraft
Liebe Grüße
Christian
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